Was ist Gerechtigkeit 3? Nur lügenhafte Wahrheit?

Jeder Mensch erschafft sich seine eigene Gerechtigkeit und zwar auf der Basis seiner Wahrheit. Die eigene Wahrheit erschafft das Weltbild und auf Grundlage dieses Weltbildes gründet man seine Gerechtigkeit.

Aber baut nicht auch jeder bestimmte Lügenkonstrukte mit in sein Leben ein? Welcher Mensch ist schon wahrhaft ehrlich zu sich? Die Wenigsten merken überhaupt, dass sie nicht wirklich ehrlich zu sich sind. Denn die 100% ige Wahrheit ist ebenso unverträglich wie 100%iger Alkohol. 

Gehen wir also davon aus, dass jeder Mensch eine lügenhaft Wahrheit hat, wie kann er dann ein ehrliches Weltbild erschaffen? Muss man die Wahrheit über sich selbst von der generellen Wahrheit trennen? Kann ein Mensch, der sich selbst belügt, eine gerechte Entscheidung über jemand/etwas anderes treffen?

Man kennt das, jemand hat eine Meinung über jemanden, die aber seinem eigenen Handeln widerspricht. Das bedeutet ja auch, dass die Wahrheitsfindung desjenigen sich selbst, wenigstens in diesem Moment, nicht mit einschließt. Denn er hat eine Meinung und eine Wahrheit zu einer Sache aber er selbst sieht sich nicht damit verbunden. Er erkennt sein eigenes Handeln nicht als ungerecht, obwohl er die gleiche Handlungsweise bei einem anderem als ungerecht empfindet. Wie also passt das zusammen? Wie kann man ein Weltbild erschaffen, aus dem man sich selbst ausklammert?

Kann man bei der eigenen Wahrheitsfindung auch auf das 3-Instanzen Modell der  Psychoanalyse von Freud zurückgreifen? Ich, Es und Über-Ich? Die spontane Gerechtigkeit wäre demnach ein Produkt des Es. Begegnet man einem Sachverhalt, hat man meist direkt ein Gerechtigkeitsempfinden dazu, ohne darüber nachgedacht zu haben. Es ist ein intuitives, instinktives Gefühl was in einem hochkommt. Denkt man dann darüber nach, ordnet man die Informationen ein, nach meiner Theorie müsste diese Informationsverarbeitung hauptsächlich durch das Über-Ich organisiert werden. Das Über-Ich besteht aus der Erziehung und Prägung, also aus Norm, Werten, Gehorsam und der Moral. Das Ich aber besteht aus dem eigenen Selbstbild. Jenes Bild was ich von mir habe und was auch die Lügen beinhaltet, die ich mir über mich mache, da ich die Wahrheit über mich selbst nicht komplett anerkennen kann.

Muss man also das Selbst aus der Wahrheitsfindung ausschließen? 

Die persönliche Wahrheitsfindung müsste also ein Konstrukt aus Es und Über-Ich sein. Zum einen enthält es das instinkthafte Empfinden über einen Sachverhalt (Es), als auch die moralischen Werte und Normempfindungen, die wir als Mensch durch unsere Erziehung und Prägung erhalten haben (Über-Ich). Ergo ist das Ich bei vielen Menschen aus der Wahrheitsfindung ausgeklammert, da das Ich den eigenen Ansprüchen gerecht werden muss, um dem eigenen Selbstbild nicht zu widersprechen. Für die Wahrheitsfindung andere betreffend brauche ich das Ich nicht. Es kann bleiben was es ist, da das Miteinbeziehen des Ichs für mich ein übermäßiger Kraftakt wäre. Ich müsste mich selbst bei jeder Entscheidung die Gerechtigkeit betreffend mit einbeziehen. Müsste mich jedes Mal selbst hinterfragen, um eine Wahrheit zu finden. Das tun die wenigsten.

Also kann man schließen, dass das Gerechtigkeitsempfinden eines jeden auch funktioniert, wenn er sich selbst belügt. Denn er belügt sich selbst, ergo er belügt sein Ich. Das Es und das Über-Ich sind davon nicht betroffen.

Implementiert man diese These in den Schleier des Nichtwissens von Rawls, kann man sagen dass das Ich jenes ist, was vom Schleier verborgen werden muss. 

Eine zu treffende Entscheidung sollte also derart sein, dass das Ich davon unbetroffen ist. Denn dann kann man eine neutrale Entscheidung treffen, die ausschließlich aus den eigenen Instinkten und Prägungen getroffen wird. Nun kann man sagen, auch eine Prägung ist individuell und nicht bei jedem gleich geartet. Hierbei kann man sich nur auf die Kulturgleichheit berufen, dass Menschen einer Kultur auch meist die gleichen Werte, Normen und Moralvorstellung haben (Eine Kultur kann immer nur aus sich selbst heraus betrachtet werden).

Nur wenn ich eine Entscheidung über etwas treffen muss, von der ich gänzlich abgekoppelt bin, kann es eine gerechte Entscheidung sein. Sobald mein Ich mit einbezogen wird, kann ich nicht mehr neutral urteilen.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert