Was ist Gerechtigkeit 1 – Ronny und die Sache mit dem unfairen Lohn

Was ist Gerechtigkeit? Was auf den ersten Blick wie eine einfache Frage erscheint, erweist sich beim genaueren Hinsehen als Elferfrage (fast nicht zu beantwortende Frage). So hat zwar jeder direkt eine Vorstellung, wenn man ihm nach Gerechtigkeit fragt, aber die eigene Gerechtigkeit lässt sich nicht verallgemeinern und auch die Gerechtigkeit die von den Gesetzen eines Staates ausgehen, gelten nicht immer als gerecht (Rechtsverdreher). Wie also kann man hier zu einem Schluss kommen?

Die Frage nach der Gerechtigkeit flammte in mir auf, als ich einen Artikel über einen jungen Beamten las, der wegen einem Bore Out vom Dienst freigestellt wurde und ein Ruhegehalt von 1400€ erhält. Ronny engagiert sich ehrenamtlich und macht eine Fortbildung, um irgendwann einmal einem Job nachgehen zu können, der für ihn besser ist. Die Überschrift des Artikels lautete „Beamter – Ich spare für meine Beerdigung“. 

Mein erster Impuls, bereits während dem Lesen: „Dir würde ich gern mal was vom harten Leben erzählen und ich glaube 1 Millionen andere auch!“ Wut stieg in mir hoch. Die Kommentare unter dem Artikel zeigten, dass es anderen auch so erging wie mir aber es mindestens genau so viele gab, die für Ronny in die Presche sprangen und ihn nach Leibeskräften verteidigten. Für den Verlauf will ich die beiden Parteien mit Hater und Gooder betiteln. Ganz besonders interessant fand ich die Kommentare der Gooder, die den Hatern empfahlen doch auch Beamter zu werden, wenn sie mit ihrem Gehalt (z.B. als Pflegekraft) so unzufrieden sind. Auf die Frage, wie sie sich das denn vorstellen, wenn plötzlich alle Pflegekräfte Beamte würden, kam keine wirkliche Antwort mehr.

Nun saß ich da, mit meiner Wut und es kam noch mehr Wut dazu, denn ich verstand die Position der Gooder nicht. Wie konnte man nicht sehen, dass es doch zum Himmel schreit, wenn ein Mensch für´s Nichts Tun soviel Geld bekommt, wie eine Pflegekraft für einen Fulltime Job? Es scheint ein neues Phänomen der Social Media Portale zu sein, dass alle Gooder vereint, um ungebremst gegen jeden Hater vorzugehen, mag er auch noch so gut argumentieren. Alles, was auch nur im Geringsten nach Hater aussieht, wird angegriffen und entkräftigt mit Verständnis und Solidarität für die angefeindete Person. Prinzipiell ist das auch eine gute Sache, nachdem die Hater in den letzten Jahren so viel Aufmerksamkeit bekommen haben, aber was mir immer sauer aufstößt, wenn ohne Sinn und Verstand drauf los gepostet wird und sich eine Gruppe gegen eine Meinung verbündet und die Personen, die diese Meinung dann vertreten zusammen niedermachen. Da geht es dann nämlich um vieles aber nicht um Gerechtigkeit. Dabei, denke ich mir, ist das Ansinnen vieler Gooder die Gerechtigkeit wieder herzustellen, die durch die Hater aus dem Ungleichgewicht geraten ist. Was ihnen dabei nicht auffällt ist, dass sie die selben Mittel anwenden wie die Hater und sie sich somit auf die gleiche Stufe stellen wie jene, die sie versuchen zu bekämpfen.

Gerechtigkeit ist ein großes Thema und jeder beschäftigt sich implizit so gut wie jeden Tag damit. Im Job, im Privatleben, einfach in jeder Situation die eine Interaktion mit anderen Menschen erfordert. Permanent wird abgewogen, ob alles auch gerecht oder fair zugeht. In den meisten Fällen wird man sich mit der Umwelt auch schnell einig, wenn es um augenscheinlich „offensichtliche“ Gerechtigkeitsbelange geht. Beispielsweise wenn es darum geht, dass ein Kollege im Büro immer bevorzugt wird, obwohl weder seine Leistungen noch sein Verhalten besser ist als das aller anderen. Hier wird man schnell Verständnis von anderen Personen bekommen und ist somit mit seinem Gerechtigkeitsempfinden nicht mehr allein. Wenn man erst andere gefunden hat, die einen unterstützen ist, kann man auch leichter seine Gerechtigkeit einfordern. Hat man allerdings einen Punkt gefunden, der einem unfair erscheint, den aber kein anderer nachvollziehen kann, steht man ziemlich allein da mit seinem Gerechtigkeitsbedürfnis. So ging es wohl lange Zeit vielen Frauen, die sexuelle Übergriffe ertragen mussten. Vielleicht erzählten sie jemandem davon, aber sie fanden nicht genügend Personen, die ihre Ungerechtigkeitsempfinden nachvollziehen konnten, also war es auch keine Ungerechtigkeit. Man kann fast sagen, dass Gerechtigkeit erst dann entsteht, wenn viele das Gleich sehen.

So kam ich zum Thema Gerechtigkeit und musste feststellen, dass es allenfalls eine subjektive Gerechtigkeit gibt. Dennoch möchte ich versuchen, eine Annäherung an das Thema Gerechtigkeit zu finden und werde das mit mehreren Texten tun. „Was ist Gerechtigkeit“ wird eine Serie, in der ich mich mit verschiedenen Themen in Bezug auf Gerechtigkeit beschäftigen möchte.

Gerechtigkeit 2 – Ein Definitionsversuch

Gerechtigkeit 3 – Nur lügenhafte Wahrheit?

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