Misogynie und wie sie entstand

Woher kam der Hass auf Frauen?

Wie kam es zum Hass auf Frauen?

Misogynie – der Hass gegen Frauen, alltäglich und doch nicht selbstverständlich jedem bewusst. Streng genommen hat die Gleichstellung der Frau auch erst seit 50 Jahren Bestand. Jahrhunderte bis Jahrtausende währte dieser Krieg gegen Frauen, die Gründe dafür sind bis heute nicht vollständig belegt. Es gibt verschiedene Ansätze dazu, die sich teils auf Mythen stützen, teils auf soziologischen Forschungen beruhen.

Die mythische Theorie der Misogynie

Jack Holland, ein irischer Journalist und Autor, schrieb als sein letztes Werk das Buch „Misogynie. The World’s Oldest Prejudice“. Das Manuskript wurde kurz vor seinem Tod fertig und posthum veröffentlicht. Er begab sich darin auf die Suche nach dem Ursprung des Frauenhasses. Er fand den Ursprung ca. im 8. Jahrhundert vor Christi Geburt. Seine These belegte er am Sündenfall der Bibel für die christlich- jüdische Tradition und an der Geschichte um Prometheus und Pandora für die griechische Mythologie.
In beiden Fällen sind es die Frauen, die der Menschheit das Verderben bringen. Eva lässt sich im Paradies von der Schlange verführen und kostete die verbotene Frucht, die sie und Adam aus dem Paradies vertrieben. Fortan waren sie der kalten, boshaften Welt ausgesetzt, die Leid und Schmerz über sie brachte.

Prometheus und Pandora

Die Geschichte von Prometheus erzählt von Männern, die als Gefährten der Götter lebten aber keinen Zugang zu Feuer hatten. Nur dieser Umstand trennte sie von den Göttern. Prometheus stahl eines Tages das Feuer vom Olymp, um seinen Nutzen mit seinen Männern teilen zu können. Zeus straffte nun alle Männer für diese hybrische (sich über die Götter erhöhende) Tat, indem er ihnen ein Geschenk machte. Er gab ihnen das Kalon Kakon (das schöne Übel) in Form einer schönen Frau mit Namen Pandora. Sie hatte ein Fass dabei, was sie unter keinen Umständen öffnen durfte. Aber ihre Neugier ließ sie das Fass öffnen, dessen Inhalt den Menschen Leid, Schmerz und Elend brachte

Jack Holland sieht in diesen Mythen die abgewertete Stellung der Frau in der damaligen Gesellschaft manifestiert.
Auch Heide Göttner-Abendroth, die bekannteste Matriarchats-Forscherin, sieht in den damaligen Rezeptionen die abgewertete Stellung der Frauen. Die Frauen wurden als das Böse und Feindliche personalisiert. Ihre Weiblichkeit, ihre Untrennbarkeit vom Natürlichen, ihre Fähigkeit Leben zu geben und Leben zu nehmen (wenn ein Baby oder die Mutter selbst die Geburt nicht überlebte)
wurde mit Unbeherrschbarkeit und Chaos verbunden und musste daher von den Männern beherrscht werden.
Die Natur war das eigentlich Bedrohende und somit Feindliche, da sie entgegen dem Verstand handelt. Also wurde sie zur bloßen Materie erklärt, die man sich zu Untertan machen musste. Es galt, sie sich nutzbar zu machen, sie auszubeuten, für den wirtschaftlichen und technischen Fortschritt. In der Bibel heißt es im Buch Genesis 1,28 „Mache Dir die Erde untertan“.

Gebären als Banalität

Der Mensch oder besser der Mann (denn nur das Männliche galt als geistlich und somit denkend), er als Vernunftswesen konnte über das Natürliche, also auch über die Frau herrschen. Die Frau als dumpfe Materie (da sie in direkter Verbindung mit der Natur stand), konnte überhaupt erst durch den Samen des Mannes geistig werden. Man ging sogar so weit zu sagen, dass sie im Fortpflanzungsprozess die bloße Nährmutter war und gänzlich unbeteiligt an der eigentlichen Ausgestaltung des Kindes. Und das trotz der 9. Monate, die eine Frau ein Kind in sich trägt.
Dass der Akt des Werdens selbst für den Mann weder schmerzvoll noch eingreifend in seinen Körper war, galt wahrscheinlich noch als Anzeichen für seine Relevanz bei der Fortpflanzung. Denn seine Physis selbst bleibt von dem Akt des Werdens vollkommen unberührt, mehr noch, er wird durch den Zeugungsakt befreit, wenn auch nur kurz. Direkt danach konnte er alle Verantwortung abgeben und sein Leben, davon unberührt, weiterleben. Er wusste nichts davon, was dieses Gebären wirklich bedeutet. Für ihn war es etwas Banales, gewöhnliches, was jeden Tag stattfindet. War es unter diesen Umständen ein Wunder, dass diese Gabe von männlicher Seite verkannt wurde?
Wenn jeden Tag Babys geboren wurden, wie schöpfungsreich, wie besonders konnte es dann sein.

So galt das Schenken von Leben als wertlos, das Schöpfen von Ideen aber als wertvoll. Im antiken Griechenland wurde dies Mäeutik genannt, die Hebammenkunst, wenn Männer im Gespräch zu besonderen Ideen und Gedanken kamen, da sie die Zeit überdauerten und unsterblich wurden.

Die Macht der Frau den Mann willenlos zu machen

Dennoch sprach man der Frau eine besondere Macht zu, wenn es um die Anreizung zum Zeugungsakt ging. Denn das die Reize einer Frau den Mann zum Geschlechtsakt animierte, sei dies nun gewollt oder ungewollt gewesen, stand nie in Frage. Auch dies wurde der Frau zum Gegenteil ausgelegt. Denn diese vom Manne empfundene Lust, galt als der Inbegriff der Feindlichkeit und Boshaftigkeit der Frauen. Sie hatte damit die Macht, den Mann zu verwirren, ihn willenlos zu machen, ihn um seinen Verstand zu bringen. Das Wertvollste, was er besaß. Also musste diese weibliche Eigenschaft unterdrückt und im Zaum gehalten werden.
Nun kann man vermuten, dass der Schöpfungsneid der Männer auf die Frauen zu solchen Konstrukten führten, man kann es aber auch einfach dabei belassen, dass Frauen bereits abgewertet wurden und es somit logische Konsequenz war, dass das männliche Schöpfen um ein Vielfaches bedeutender wahrgenommen wurde.

Die Vernunft muss das Natürliche bezwingen

Der Mann war die Antithese zur Frau, der Mann war sich selbst begrenzend, eine Frau musste begrenzt werden. Sie galt, durch ihre Nähe zur Natur, als unberechenbar. Alleine das Gebären, und die Fähigkeit es zu können, war an sich voll von Blut, Schmerz und Qualen. Dinge, die für einen Mann untrennbar mit Krankheit und Tod in Verbindung standen. Sie galt somit als Leben- und ebenso als Todbringende. Dadurch wurde sie zur Bedrohung, alleine durch den Umstand, dass man ihre Natur nicht verstand.
Das Männliche hingegen war nicht der Natur nahe, sondern dem Verstand. Er war der Nächste Gottes, jenem der die Menschheit erschuf und ihr Verstand einhauchte, er stand daher über der Frau, da Gott der Schöpfer, das Allerhöchste war, nach dem man streben konnte und der Mann war dem Gott fast gleich. Die Frau ist vergleichbar mit der Flora und Fauna, jenem Gut, von dem der Mensch lebte und was er sich zu Untertan machte. Ergo machte der Mann sich ebenso die Frau zu Untertan.
Er wertete sie ab und unterwarf sie, war fortan in der Lage, ihr all die Schrecken und Gräueltaten anzutun, die bis heute Frauen angetan werden.

Die Theorie der Stärke

Valerie M. Hudson, eine amerikanische Professorin für Politik und bekennende Feministin, fand eine einfachere Erklärung für die Ursprünge der Misogynie. Männer sind von Natur aus mit größerer Statur und mehr Kraft ausgestattet als Frauen und das brachte sie in die Lage über Frauen zu herrschen. Auch konnten sie sich außerhalb ihres Körpers fortpflanzen, was sie freier über ihr Leben verfügen ließ und sie somit in doppelter Hinsicht im Vorteil waren. Prinzipiell sind dies keine Gründe, um ein ganzes Geschlecht zu degradieren, aber viele Gesellschaften formten sich unter diesen Umständen zu einem Patriarchat. Die Feinde der Männer waren nicht die Frauen, sondern die anderen Männer, also verbündeten sie sich mit allen nahestehenden Männern und bildeten Bruderschaften, um ihre Gesellschaften, ihre Clans zu schützen und vor den feindlichen fremden Männern zu beschützen. Für einen Mann gab es kaum eine andere Wahl, als sich diesen Bruderschaften anzuschließen. Valerie M. Hudson beschreibt es so:
„Für Männer sind andere Männer die wirkliche Bedrohung, nicht Frauen. Ein einzelner Mann in einer Welt von Männern, die bereit sind, Gewalt und Zwang anzuwenden, um das zu bekommen, was sie wollen (weil sie diese Fähigkeiten durch die Dominanz über Frauen gelernt haben), wird de facto ein sehr unsicherer Mann sein.“
Diese so entstehende Fraternität kontrollierte das Eigentum eines Clans und unterwarf Frauen, damit diese nicht in die Geschicke des Clans eingreifen konnten und sich um den Fortbestand des Clans, in dem sie Kinder bekamen und aufzogen, sorgten.

Das Konstrukt der Patrilinearität

Da das Vermögen und der Besitz beim Manne lag, wurden Mädchen und Frauen wertlos. Es entstand das Konstrukt der Ehe, was vorsah, dass Mann und Frau sich verbanden, durch eine Heirat, und alsdann bei der Familie des Mannes lebte. Eine Frau musste so ihre Familie verlassen
Die Präferenz einer Familie lag beim Sohn, er war es auch, der sich später um die Eltern kümmerte, wenn sie alt waren. Die Familie blieb bei der Familie des Mannes, sie lebten also Patrilinear (in der Erbfolge der väterlichen Linie). Eine Frau musste aus ihrer Familie hinausgehen, um eine Familie gründen zu können. Da eine Frau nicht in der väterlichen Erbfolge berücksichtigt wurde, besaß sie nichts. Damit es sich für einen Mann lohnte, sie in seine Familie aufzunehmen, gab es für Frauen eine Mitgift. Sie für sich alleine war wertlos und somit wurde die Wahl ihres Bräutigams durch die Höhe ihrer Mitgift bestimmt.
Dieser Umstand führte zu einem niedrigen Heiratsalter der Mädchen (wenn sie noch billig zu verkaufen waren), zu Inzest (da eine Heirat innerhalb der Familie nichts kostete) zu Polygamie (wenn ein Mann sich mehrere Frauen leisten konnte) und zu Infantizid, in dem die weiblichen Babys, die geboren wurden, gleich getötet wurden, damit die Kosten für sie erspart wurden.

Wer nichts Wert ist, ist auch kein Mensch

Entwertung führt zur Entmenschlichung und wird ein Mensch nicht mehr als Mensch gesehen, macht es auch nichts mehr aus, ihn zu behandeln wie etwas nicht menschliches. Er ist künftig nur noch Gebrauchsgegenstand und somit kann man über ihn verfügen, wie es einem gefällt. Frauen wurden zur Ware, hatte man ihren Preis bezahlt, gehörten sie einem uneingeschränkt. Man konnte sie benutzen, solange man gefallen oder Nutzen daran hatte und war dies vorbei, so konnte man sie auch „wegwerfen“ wenn einem danach war.
So wird auch klar, warum Frauen die Bruderschaften unterstützten. Sie kämpften damit um ihr Überleben. Das Bild der bösen Schwiegermutter, die gegen die Braut des Sohnes intrigierte, wird somit verständlich. Die Braut tritt an die Stelle der Mutter, die Mutter ist fortan nur noch die 2. Frau und somit streng genommen überflüssig. Nur indem die Mutter weiterhin dienlich war und dem Sohn zeigte, wie unentbehrlich sie war, konnte sie ihre Stellung wahren.

Die so entstehende Ungleichheit der Geschlechter hatte und hat noch heute ihren Preis. Denn auch in der aktuellen Zeit findet man Gesellschaften, die durch die Bevorzugung der Männer zu einem gesellschaftlichen Ungleichgewicht der Geschlechterverteilung im Land führen. Sind Männer überproportional in einer Gesellschaft vertreten, steigt die Bereitschaft zu Krawall, Kriminalität und Aggression. Eine Regierung, die diesem Herr werden will, bemüht sich den Respekt zu wahren, indem sie zu stereotypen Verhaltensweisen greift. Der Ton wird rauer, Nationalismus nimmt zu, strengere Strafen werden verhängt und es kann bis zu Zermürbungskriegen kommen.

Das Patriarchat ist nicht das einzige Gesellschaftsmodell

Das Patriarchat ist Bringer von Macht und Fortschritt. Ohne diese Attribute würden wir in einer gänzlich anderen Welt leben. Wie man das bewerten sollte, bleibt jedem selbst überlassen.
Dennoch ist Kritik an patriarchen Strukturen berechtigt und sollte nicht damit abgetan werden, dass es auch gar keine andere Gesellschaftsstruktur gibt. Die damit verbundenen Eigenschaften einer Gemeinschaft sind nicht typisch menschlich, sondern nur typisch patriarch und genau diesen Umstand sollte man nicht vergessen.
Ich habe oft gelesen (die Quellen dafür reiche ich nach), die Eigenschaften des Patriarchats seien eben menschlich und somit müsste man akzeptieren, dass der Mensch ist, wie er ist. Aber diese Eigenschaften sind eben nicht a priori menschlich, sondern anerzogen.
Aus der Sicht einer Frau bin ich sehr froh in der Jetztzeit und nicht in einer früheren Zeit zu leben, denn freier war eine Frau wohl selten, als in der heutigen Zeit in der westlichen Zivilisation. Auch wenn misogynes Verhalten nach wie vor an der Tagesordnung an sehr vielen Orten ist, so sind doch Schritte in eine gleichgestellte Richtung zu erkennen.
Was es hieße, eine komplette Gleichstellung leben zu dürfen, kann man sich utopisch vorstellen, ob dies aber die Realität widerspiegeln dürfte, bleibt anzuzweifeln. Wie sollte man sich eine solche Welt vorstellen? Da in der Regel auch ausschließlich patriarche Lebensmodelle bekannt?
Einen kleinen Schritt in eine erkennende Richtung kann man tun, indem man einen Blick auf jene Kulturen wirft, die nicht Patriarch angelegt sind. Darüber möchte ich in einem nächsten Artikel berichten.

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