„Let her do all the work
And maybe later I’ll rape her“
So singt es Frank Zappa in seinem Lied „Bobby Brown“, was in den späten 80ern ein riesiger Hit in Europa wurde. Nur in Europa. Die offensichtliche Verachtung von Frauen ist wohl durch die englische Sprache kaschiert worden, so dass sie nicht weiter beanstandet wurde.
Dieses Lied wird auch dieser Tage hierzulande oft und gerne gespielt. Im Radio oder auf 80er Partys. Ein Klassiker eben. Bisher kam niemand darauf, dieses Lied aus den Playlists auszuschließen.
Wie kommt es also, dass das diesjährige Sommerloch mit einer Debatte um ein anderes Lied gefüllt wird? Es wurde diesen März veröffentlicht und erreichte als erstes Ballermann Lied Platz 1 der deutschen Single Charts. Auch jetzt, im August, ist es weiterhin auf Platz 1 und hat Gold Status erreicht.
Es geht um das Lied „Layla“, dessen Präsentation aufgrund seines sexistischen Lied-Inhalts als erstes auf dem Kiliani Volksfest in Würzburg verboten wurde. Die Düsseldorfer Kirmes und auch die Wiesn schloss sich dem an. Es ist ein durch und durch sexistisches Lied, klar, aber sind das nicht 80–90 % aller Ballermann Lieder?
Der Song „Layla“ des Produzenten Ikke Hüftgold erfreut sich durch diese Debatte zunehmender Berühmtheit. Dieser freut sich offenkundig über die Publicity, die ihm beschert wird. Und auch die Veranstalter des Volksfests, welches dieses Lied verboten haben, dürften nicht traurig über die Wucht der Schlagzeilen sein, die dieses Verbot ausgelöst hat. Jedermann, der Radio hört oder tägliche News liest, kennt jetzt dieses Lied und die dazugehörige Veranstaltung.
Auf den Veranstaltungen dürfen die Performer die Zeilen des Liedes zwar nicht mehr singen, aber da das Publikum es auswendig mitsingen kann, brauchen sie das auch gar nicht.
Und so verhilft ein Verbot zu gigantischer Aufmerksamkeit und Weiterverbreitung eines sexistischen Liedes.
Man kann mutmaßen, dass es bei dem Verbot nie darum gegangen ist, wirklich etwas gegen Sexismus zu tun. Zumal Volksfeste nicht gerade bekannt sind, für ihren ehrlichen Drang nach Gleichberechtigung und um etwas gegen Sexismus zu tun. Profitieren sie doch seit eh und je davon. Fahrgeschäfte sind oft verziert mit Frauen in sexy Kleidung oder gar mit freier Brust.
Dazu kommt, dass es Männer gibt, die nur auf Volksfeste gehen, um sich, in welcher Weise auch immer, an Frauen zu vergehen. Sei es der sexistische Macho Spruch, um cool zu sein. Oder der Po- und Busengrabscher. Die Beispiele gehen von Nötigung bis hin zu Vergewaltigungen, wie es beispielsweise Ferdinand von Schirach in seinem Roman „Schuld“ beschrieb.
Man muss nicht lange suchen, um Belege für sexuelle Nötigung auf Volksfesten zu finden:
, Freisingen 2019 etc.
Und das sind auch nur die gemeldeten Fälle.
Wie kommt also ein Volksfest dazu, ausgerechnet jetzt ein Lied zu canceln, weil es sexistisch ist?
Ich stelle mir einen der Veranstalter des Festes vor, wie seine 15-jährige Tochter ihm beim Essen gegenüber sitzt und sagt: „Papa, auf diesem Fest, wird da auch dieses Lied gespielt? Das geht aber nicht. Das ist doch sexistisch!“
Und der Vater denkt sich, super Idee. Eine bessere Publicity könnten wir nicht haben.
Aber Spaß beiseite. Der ursprüngliche Gedanke beim Verbot sexistischer Lieder auf Volksfesten ist durchaus ernst gemeint.
„Corinna Schütz, 22, studiert in Passau und möchte, dass das „Donaulied“ künftig in Bierzelten nicht mehr gespielt wird. Bekannt wurde der Song durch den Party-Schlagersänger Mickie Krause, die ursprüngliche Fassung ist aber schon viel älter.“
Sie startete die Petition #Bierzeltsexismus und sammelte Unterschriften.
„Im August 2020 haben die Initiatorinnen die Donaulied-Petition in Passau mit über 36.000 Unterschriften an Oberbürgermeister Dupper übergeben.“
Diese Petition brachte den Stein ins Rollen und so ging es alsbald auch um das Lied „Layla“.
Dieses ist allerdings laut DJ Robin und Partner gar nicht sexistisch.
„Es geht bei dem Song nicht um eine Prostituierte, es geht um eine Puffmutter. Die passt auf die Prostituierten auf und leitet den Puff. Daher kommt in dem Lied kein Sexismus vor. Früher haben die Leute ‚Skandal im Sperrbezirk‘ gesungen oder `Wir fahren in den Puff nach Barcelona‘. Also so ganz können wir die Diskussion nicht verstehen. Es kann jeder seine Meinung haben, aber in jedem Deutsch-Rap-Lied sind die Texte schlimmer. Da regt sich kein Mensch auf.“
Diese Aussage macht deutlich, wie unterschiedlich Sexismus dieser Tage gesehen wird. Für die einen ist das halt einfach schon immer so, warum sollte daran jetzt etwas geändert werden? Zumal andere das auch machen.
Die anderen wollen nicht mehr hinnehmen, was schon immer beleidigend für Frauen war und wollen irgendwo einen Anfang machen.
Die Definition von Sexismus ist offensichtlich nicht einheitlich. Dabei kann man vermuten, dass sich die Ansichten auch nach Geschlecht ändern. Wer weniger darunter leidet, kann die Grenzen auch gerne mal großzügig auslegen.
Der Hinweis, dass andere Musikbranchen ebenso oder gar noch sexistischer sind, ist richtig. Daher lohnt es sich hier einen Blick darauf zu werfen.
Denn wenn man über Sexismus in der deutschen Musikbranche sprechen will, dann kommt man an der Rapszene nicht vorbei. Die Frauenrechtsorganisation Terre des Femmes hat die Aktion #UnhateWomanins Leben gerufen, um auf Sexismus im Deutschrap aufmerksam zu machen. Sie untersuchten Rap Lieder auf ihr sexistisches Vokabular.
Dabei stellten sie fest, dass mit der Gründung des Labels „Aggro Berlin“ auch die sexistischen Begriffe in die Höhe schossen. Diese sind zwar seit einigen Jahren wieder etwas rückläufig, aber das sagt noch nichts über alle Formen von gemeintem Sexismus aus. Denn auch subtiler Sexismus ist Sexismus.
So wird zum Beispiel im Lied „Zoey“ der Künstler Nimo & Capo eine Frau beschrieben, die all das macht, was die Texter des Liedes ebenfalls machen. Allerdings ist es, wenn sie es selbst machen, cool. Wenn Zoey es macht, ist es billig und sie wird niemals „eine echte Lady“. Auch wenn in diesem Lied keine Kraftausdrücke verwendet werden, so ist der Inhalt in seiner Abwertung deutlich.
Der Sommerhit 2012 „Easy“ von Cro ist ein weiteres Beispiel von subtilem Sexismus. Er beschreibt eine hübsche Frau, mit der er einige Tage verbringt. Dann ist sie schwanger und will heiraten und seinen Besitz. Damit wird impliziert, dass sie ihm das Kind anhängen will, um damit eine Heirat zu erzwingen. Seine Antwort darauf: erschiess sie.
Das subtile dabei ist, dass man sich eine solche Frau vorstellen und sie für ein solches Verhalten auch verurteilen kann. Und schon ist das lustig erscheinende „erschiess sie“ legitimiert und man hört es mit einem Lächeln.
Es geht, um das Gefühl etwas zu hören, was die Gegenwart in einer Weise abzubilden scheint. Wie kann das Sexismus sein? Weil es nicht gerichtet geschieht. In aller Regel beziehen sich die Songs auf fiktive Frauen, die eine Gruppe von Frauen symbolisieren. Und eben das macht es sexistisch, in einer übergreifenden Weise. Es verallgemeinert und spricht so mehr oder weniger alle Frauen an. Es ist gleichzeitig ein Appell an alle Frauen, so nicht zu sein.
Haftet der Ballermann-Musikkultur immerhin soviel Banalität an, dass sie gar nicht ernst genommen werden will, so ist das mit der Rapszene nicht vergleichbar. Denn auch wenn es um übertriebene Darstellungen geht, so will sie doch die Realität abbilden und schmeißt nicht nur mit wahllosen Begriffen um sich, die sich gut grölen lassen.
„Irgendwie kannst du es nicht immer trennen, weil die Übergänge im Rap zwischen Kunstfigur und der Privatperson oftmals fließend sind. Gerade das macht einen Künstler authentisch.“
Das transportierte Frauenbild im Deutsch Rap ist geprägt von Erniedrigung und Objektivierung. Eine Frau ist mehr oder weniger eine Ware, die man zu unterschiedlichen Zwecken gebraucht. Die eine Sorte der Frauen soll für Sex und Party herhalten, die andere Sorte Frau soll die Kinder gebären und das Leben in Ordnung halten. In beiden Fällen wird den Frauen abgesprochen eigene Rechte, Bedürfnisse oder einen eigenen Willen zu haben.
Die Kunstfreiheit legitimiert allerdings jede Art der Darstellung, denn es geht auch darum alle Ansichten darzustellen. Allerdings wird das von Rappern auch als Ausrede benutzt, wenn sie es übertrieben haben.
Das Lied „Jeanny“ von Falko ist ein anschauliches Beispiel dafür, wie man künstlerisch das Thema Kidnapping und Missbrauch von Minderjährigen darstellen kann, ohne dabei sexistisch zu werden. Der Sänger schlüpft in die Rolle des Kidnappers, beschreibt seine Gedanken und auch seinen Wahnsinn. Allerdings ist die Differenzierung zwischen einem solchen Lied und „Layla“ für einige nicht nachvollziehbar. Wieso ist das eine sexistisch und das andere Kunst?
In „Jeanny“ findet keine Objektivierung einer Frau statt, dafür wird der Wahnsinn des Entführers deutlich gemacht. Daher geht es in diesem Lied um die Darstellung von Missbrauch, damit darüber eine Diskussionsgrundlage erschaffen wird, um Aufmerksamkeit für das Thema zu gewinnen.
Wenn es darum geht über Frauen zu singen, gibt es im gesamten westlichen Liedgut keine Grenzen. Frauen werden auf einen Sockel gehoben und wie Heilige besungen. Dann wiederum sind sie Mittel zum sexuellen Zweck oder sind Ventil für männliche Wut.
Frauen dienen nach wie vor als Projektionsfläche für eine große Bandbreite an (Männer)Fantasien und es ist allgemein anerkannt, diesen Umstand so zu belassen, wie er ist. Viele Darstellungen von Weiblichkeit werden mit einem abwinkenden Lächeln legitimiert. Ach, das darf man mal nicht so ernst nehmen. Ist ja nur ein Bild etc. Aber Studien beweisen, dass Frauen primär als Sexobjekt wahrgenommen werden. Eine ständig wiederholte Darstellung ist prägend und an welchem Tag kommt man ohne sexistische Darstellung von Frauen vorbei? Denn auch wenn sich das Schönheitsideal etwas mehr zur Normalität bewegt, so werden Frauen noch immer sexy dargestellt. Dies wurde nun auch im Rahmen einer Studie bestätigt.
Frauen werden in vielen öffentlichen Darstellungen zu Objekten gemacht (Objektifizierung) und damit werden sie entmenschlicht. Sie werden zu einer Sache, einem Ding. Dieser Umstand erlaubt es, mit ihnen zu machen, was Mann will. Und da das schon seit Jahrhunderten gilt, kommen nur wenige darauf, dass daran etwas falsch sein könnte.
Was im Kontext des Verbots um Layla klar wird ist, dass es nicht darum gehen kann, Sexismus wirklich zu bekämpfen. Wenigstens nicht aus den Augen derjenigen, die sich mit diesem Aushängeschild des Alibi-Sexismus hervortun. Denn ihnen geht es nur darum, auf sich aufmerksam zu machen, so zu tun als wäre es ihnen wichtig, um so noch mehr Erfolg zu haben. „Das Interesse an denen, die zuvor an den Rand gedrängt wurden, fußt also auf ihrer gesteigerten kapitalistischen Verwertbarkeit und nicht auf einer diskriminierungskritischen Haltung.“ So drückt es das Magazin „Neue Narrative“ aus.
Das System, das diesen Alibi-Sexismus für sich nutzt, will seine eigenen Strukturen nicht wirklich ändern. „Wer Teil der Lösung sein möchte, muss anerkennen, dass er Teil des Problems ist.“
Aber diese Erkenntnis ist wohl eher so etwas wie der heilige Grahl des Patriachismus.
In Wahrheit geht es nur darum ein hübsches Deckchen über das Problem zu legen, damit man die Fratze dieses Systems nicht mehr so übermächtig vor sich hat. Vielleicht glaubt der eine oder andere dann tatsächlich, dieses System wäre weltoffener geworden und wäre ehrlich daran interessiert, etwas gegen Diskriminierung zu tun.
Dabei geht es am Ende nur darum, die aktuellen Verhältnisse aufrecht zu erhalten und alles so zu belassen, wie es ist. Nur eben mit einem neuen Anstrich. Ein Shabby Chic patriarcher Macht.