Bridgerton und warum Wokeness wichtiger ist als Feminismus

Das Bridgerversum zieht viele Menschen in seinen Bann. Die soeben erschiene neue Staffel hat mit ihren ersten vier Folgen bereits 45,5 Mio. Klicks erreicht. Rekordstatus. Die Serie spielt in einer fiktiven Form des 19. Jahrhunderts und erlangte ihren Ruhm sicher auch wegen ihrer Besetzung. Zudem findet man traumhafte Kulissen, Kostüme und eine Handlung, die nicht nur oberflächlich eine andere Geschichte dieser Zeit erzählt, sondern auch in die Tiefe geht und zeigt, was lange Zeit tabu wahr. Eine schwarze Königin, eine Frau, die mit ihrer Kolumne die Geschicke der Zeit mitbestimmt, Homosexualität, lange Sex-Szenen und es werden Themen wie weibliche Unabhängigkeit oder auch Veganismus debattiert.

Opulent führt die Serie die Zuschauer durch eine Zeit, die durch ihre Fiktion die Realität nachträglich besser machen und gleichzeitig die Tragödien einer solchen Zeit einfangen will. Das Klischee von weißen Adeligen wird abgelöst. Dazu gehört auch eine Story, die erzählt, wie es dazu kommen konnte, dass Schwarze in den Adel erhoben wurden.

Die schwarze Königin gibt den Auftakt für ein Bridgerversum, dessen Hofstaat sich klar von allen bisher gezeigten Hofstaaten unterscheidet. Das Prequel „Queen Charlotte“ zeigt, wie erstmalig eine schwarze Frau einen britischen König ehelicht. Anschließend erhebt man rasch einige wohlhabende und angesehene Dunkelhäutige in den Adelsstand, da die Königin nicht die Einzige bei Hofe sein soll.
Anfangs fand ich den Gedanken befremdlich, diesen Umstand hat es eben nicht gegeben. Aber dann fand ich die Idee dahinter sehr interessant. Was wäre gewesen, wenn es durch welchen Umstand auch immer wirklich zu so einer Heirat gekommen wäre? Womöglich war dies das Geheimrezept dieser Serie, da der Reiz des Neuen heutzutage fast jeden Serien-Junkie einfängt. Endlich mal etwas anderes. Wenigstens erscheint es oberflächlich so.
Ich habe die Serie gern gesehen, aber dennoch hatte ich immer ein blödes Gefühl dabei. Nachdem ich die ersten 4 Folgen der letzten Staffel gesehen habe, bin ich diesem Gefühl nachgegangen.

Eine selbstbewusste Königin, die sich über die Qualen einer Frau zu diesen Zeiten bei jeder Gelegenheit beschwert( Queen Charlotte), eine junge Frau, die sich Unabhängigkeit wünscht und die Pflichten einer Frau zu dieser Zeit ablehnt, hinterlassen den Eindruck, die Serie habe feministische Absichten. Ich möchte aber zeigen, dass das Gegenteil der Fall ist.

Da wäre Queen Charlotte, die in dem ihr gewidmeten Prequel demonstriert, unter welche Qualen eine junge Frau in einer solchen Gesellschaft zu leiden hatte. Sie beschwert sich über die Bürde, die ihr ihre Garderobe zumutet. Über die Umstände, in welcher sie der König nach der Trauung zurücklässt, die Handlungsunfähigkeit, in welche sie die Position als Königin versetzt. Der Zuschauer soll verstehen, dass es kein Spaß war Königin zu sein. Vor allem dann nicht, wenn der König unter einer unbekannten Geisteskrankheit leidet, von der niemand erfahren soll. Die Umstände verschafften Queen Charlotte mehr und mehr Einfluss, denn ihr Mann war nicht fähig dazu, alle königlichen Pflichten zu erfüllen. Am Ende ist es die Königin, die alle Macht für sich beansprucht.

In den „Bridgerton“ Folgen kann man schließlich sehen, was diese Macht aus der Königin gemacht hat. Sie wurde zu einer gelangweilten, eigensinnigen, amüsier-süchtigen Frau, die aus ihrem Schicksal eine Königin zu sein, eine Tugend gemacht hat. Sie entscheidet Saison für Saison darüber, welche Debütantin die begehrenswerteste ist, und tut das alleine einem Gefühl nachgehend. Für die Debütierenden und deren Anwärter bedeutet ein solches Urteil allerdings die Welt. Somit wird in Sekunden ein Urteil gefällt, welches für die Betroffenen ein Leben lang nach hallt.

Aber auch wenn eine Frau die Geschicke dieser Gesellschaft lenkt, werden Frauen bei jeder Gelegenheit auf ihrem Platz verwiesen. Einen Platz in der Gesellschaft erlangen sie nur mit dem richtigen Mann an ihrer Seite. Um dies zu schaffen, werden wie je her altbekannte Lügen und Intrigen benutzt, um sich einen bestimmten Herren zu angeln. Nun kann man sagen „na ja, das war nun mal zu diesen Zeiten so“. Das ist richtig, aber in diesen Zeiten gab es auch keine schwarze Königin. Wieso kann man sich über diese Tatsache hinwegsetzen, aber über Sexismus und Misogynie nicht?

Die Serie setzt auf Intrigen, schöne Menschen, opulente Optik, sexuelle Befreiung und nutzt, wohldosiert, alle woken Trends, die dieser Tage zu finden sind. Eben das macht diese Geschichte sehenswert, denn sie zeigt nicht genau das, was man schon x-Mal gesehen hat.
Auch beginnt sie damit, die Geschichte hinter der Geschichte zu erzählen und vereint die Fiktion mit dem Drama der Realität.
Das Erfolgsrezept für das Bridgerversum liegt wohl darin, dass erzählt wurde, was bisher nicht erzählt werden sollte/durfte und all das in einen Mantel des wohl Bekannten zu hüllen. Genau diese Mischung ist das, was das Publikum sehen will. Etwas Neues, aber eben nicht zu progressiv. Amüsiert werden aber nicht geweckt. Das Gefühl haben, dass sich „das Gute“ auch in einer Lieblingsserie wiederfindet, aber nur in dem Maße, in dem es einen nicht mit seinen eigenen Problemen konfrontiert. Ähnlichkeiten sind gestattet, solange sie in kleinen Dosen daherkommt. Bridgerton lebt davon, Klischees, die in der Neuzeit kritisiert werden, scheinbar aufzubrechen, folgt aber dennoch genau dem gleichen Muster, die jene Klischees so populär machten. Der Zauber liegt darin, die Vielfältigkeitsbefürworter und die Feuchtgebiete-Community zu vereinen und ihnen eine Heimat im Altbekannten zu geben.

Die Serie spielt aus, was in Sissi nur erahnenswert war, aber immer heiß ersehnt. Welche Details gibt es in der Brautwerbung, welche Kleinigkeiten bringen den Mann dazu, sich in eine Frau zu verlieben? Was tun die Eheleute genau, wenn sie verheiratet sind? Welche Problemchen treten dann auf und was wird aus den anderen Geschwistern, die es nicht so leicht hatten, einen Partner zu finden?
Ein mancher scheint sich gegen die gesellschaftlichen Zwänge aufzulehnen, nur um sie am Ende schließlich doch zu befolgen. Denn Glück kann ein jeder nur in der Ehe finden.
Zum Beispiel unser Aschenputtel, Penelope Featherington, die in Staffel 1 und 2 stets am Rande das Treiben als Madame Whistledown beobachtet. Die sich durch ihre Kolumne einen guten Verdienst erlangt und sie vielleicht sogar in eine Lage versetzen würde, autark leben zu können. Sie wäre eine Figur, die man hätte heraustreten lassen können, die sich erhebt über diesen Beziehungskampf und sich davon loslöst. Eine wahrlich moderne Frau, die für ein Leben nicht zwingend einen Partner braucht. Aber nein, auch sie findet ihren Traumprinzen und schafft es, nach Irrungen und Wirrungen ihn für sich zu gewinnen.

Es gibt sie, die Männerlosen. Aber sie bilden nur ein Randgeschehen derer ab, die im Leben falsch abgebogen zu sein scheinen. Zum einen die „leichte“ Sängerin, die in Staffel 1 mit Anthony poussiert und auf seine Versprechungen hereinfällt, er würde immer für sie sorgen (ein so altes Klischee, was aber zu verstehen gibt, die Frau ist selbst daran Schuld betrogen worden zu sein. Hat sie sich doch hergegeben, bevor sie einen Ring am Finger hatte). Und es gibt die Braut-Ausstatterin, die zwar für sich selbst sorgt, aber sich dennoch nach einem Mann verzehrt, unter dem sie ihr bisheriges Leben nicht aufgeben muss. Dennoch soll er für sie aufkommen und sie durch eine Heirat zu gesellschaftlichem Stand und Ehre verhelfen.

Die Serie folgt damit den Trends der heutigen Zeit. Sei weltoffen, mache gut, was unsere Ur-Väter verbockt haben, lebe deine Emotionen. Aber, wie in der heutigen Zeit so oft, geht es wieder nur um Symbolik. Es ist aufgesetzt, gibt den Zuschauern aber dennoch das Gefühl, sie sähen etwas, was sich für die „Werte“ einsetzt, für die man sich heute einzusetzen hat. Aber es geht eben nicht um Werte, vielmehr um Interessen einer bestimmten Gesinnung.
Es ist schwerlich nachvollziehbar, warum Rollen-Modelle hinsichtlich aktueller ethischer Trends geöffnet werden können, aber hinsichtlich eines kirchlichen gesellschaftlichen Diktats, dem der Ehe, nicht.
Warum ist das Maß aller Dinge nach wie vor, einen Mann für eine Ehe zu finden? Warum gibt es auch heute noch immer nur das eine verwunschene Ziel für eine Frau, den einen Richtigen zu finden, wenn es auch über kleine Umwege oder mit List und Intrigen geschieht? Ist der Gedanke an ein anderes Lebensmodell so verstörend, dass man dem 19. Jahrhundert dunkelhäutige Adelige, Soft Pornos, Homosexualität und Veganismus zumuten kann, aber dass es außer der Ehe noch etwas anderes gibt, das sprengt dann doch den Rahmen?

Ich habe eine vielleicht alberne Idee. Die Gesellschaft wähnt sich zwar in vielen Bereichen im Aufbruch (Klima, der Zweifel an binären Geschlechtern, Krieg zur Verteidigung der globalen Demokratie und westlichen Vorstellungen, Abkehr des Glaubens), aber eigentlich will sie nicht weg von der klassischen Vorstellung einer patriarchen Gesellschaftsordnung. Frauen dürfen arbeiten und Karriere machen, ja, aber sie sollen auch Frau und Mutter sein. Männer sind nach wie vor daran gebunden, die Herren ihrer Familie zu werden. Sie bieten den äußeren Rahmen für ein Leben in einer Gemeinschaft, den die Frau mit Kindern und sozialen Tätigkeiten füllen soll.
Eigentlich soll alles so bleiben wie es war, außer dass diese wie je her geführte Gesellschaftsform allen noch mehr abverlangt. Dennoch darf dieses Bild einer Disney-Ehe nicht in Frage gestellt werden.

Die Lenker und Leiter führen die Themen der Gleichberechtigung lieber geschickt auf die LGBTQ Bewegung und all ihren Belangen, anstatt das sie Feminismus eine wirkliche Bühne bietet. Es ist viel ungefährlicher, wenn man jene, die ein Bedürfnis der Ereiferung für Benachteiligte haben, mit Themen um Transition, korrektes Gendern, einschließlich der jeweilig gewünschten Pronomen, sich kümmern lässt, anstatt das die Hälfte der Menschen mobilisiert wird, um sich gegen Misogynie und Sexismus in der Gesellschaft aufzulehnen. Lieber füttert man eine Randgruppe mit Aufmerksamkeit, als dass man der Frauenbewegung einen Knochen hinwirft.
Gleichberechtigung ist etwas Tolles, vor allem wenn sie in dem Maße geschieht, der jedem Beteiligten das Gefühl gibt, nun gleichberechtigt zu sein. Im Endeffekt aber werden nur einige symbolische Taten über die Haustür gehängt, damit es jeder Nachbar sehen kann, wie sehr sich für eine Sache eingesetzt wird. Der eigentliche Einsatz aber bleibt verschollen.

Das System sieht vor, dass kleine Mädchen von ihrem Prinzen träumen, und kleine Jungs davon, ein starker Prinz zu sein, der eines Tages König sein wird. Er schließt seine Prinzessin in die Arme, reitet auf einem weißen Schimmel davon und sie lebten glücklich bis ans Ende ihrer Tage.
Mädchen werden seit so langer Zeit mit dem Gedanken groß, sie müssten den einen Richtigen finden, um Glück und Zufriedenheit in ihrem Leben zu erlangen. Zu meiner Zeit resultierte das aus den großen Filmen der damaligen Zeit. Es war ein eher semi-bewußter Zustand. Heute ist man in diesem Wissen so viel weiter und trotzdem produzieren die Filme und Serien-Macher nach wie vor Disney Märchen, die den Mädchen klar machen, wie wichtig ein Mann an ihrer Seite ist und den Jungs, wie wichtig es ist, dass sie die Ernährer einer Familie werden. Beiden liegt zu Grunde, dass sie einem Rollenmodell folgen, was einst die Kirche für uns kreierte.
Diese Betrachtung offenbart ein verkrustetes und einfarbiges Beziehungsmodell, dass auch heute nicht nachhaltig in Frage gestellt werden darf, da es immer noch das Ideal verkörpert, dem ein jeder zu folgen hat. Jene, die sich widersetzen, werden nach wie vor bestraft, mit gesellschaftlicher Ächtung und Standesverlust (das geschieht sicherlich viel subtiler als es damals der Fall war, aber dennoch wird man damit immer wieder konfrontiert). Und eben das ist es auch, was Bridgerton einem am Ende einer jeden Staffel mitteilt: Auch wenn es nicht immer glorreich ist, binde dich und erdulde dieses Schicksal, sonst verwirkst du dein Leben.

Aber warum ist es eigentlich so verwerflich, diesem patriarchen Lebensmodell zu folgen? Weil es seit je her auf Ausbeutung aufgebaut ist. Und da, wo es immer wieder geschürt und befeuert wird, kann sich nichts Neues bilden. Man kann kein System der Vielfältigkeit und Gleichberechtigung auf dem Fundament von Ausbeutung und Ungerechtigkeit aufbauen.

Und die Moral von der Geschichte? Es geht doch darum, dem Publikum nicht zu viel zuzumuten. Man mutet ihm zu, dass die Prinzessinnen farbig und auch eigensinnig sein dürfen, pummelig, erst mit Mitte 20 ihren Prinzen zu ehelichen, aber eine wahrlich eigenständige und autarke Frau zu sein, das geht dann doch zu weit. Und ist es nicht auch irgendwie immer noch das, was die Gesellschaft von allen erwartet? Binde dich, kriege Kinder, denn nur so findest du dein Glück.
Ein letzter Hoffnungsschimmer bleibt mit Eloise Bridgerton. Sie wünscht sich weg von diesem Standesdünkel und hofft auch ohne diese Bindung leben zu können. Warten wir es ab, ob sie die eine sein kann, die den klein Mädchentraum über Bord wirft und sich selbst gestaltet.

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