Wieder leben dürfen

Wenn man einmal drin steckt in diesem Gedankenkarussell vom Kranksein, kommt man so schnell nicht mehr heraus. Ständig wird der ganze Körper und das Befinden gescannt, jede Kleinigkeit wird analysiert und ausgewertet. Und wenn man es doch mal schafft, nicht darüber nachzudenken, gibt es einen Schmerz oder eine andere Missempfindung und schon geht das Karussell wieder von vorne los. Und manchmal bedingt das Denken auch die Missempfindung. Vor allem, wenn die Depressionen los gehen. Ich glaube jeder, der lange Zeit krank ist, hat früher oder später mit Depressionen zu tun. Man stellt alles in Zweifel, ist frustriert und glaubt nicht mehr daran je wieder gesund zu werden. Dazu sieht man all die anderen, die keine Probleme mit ihrem Körper haben und wenn dann nur ganz kleine. Man sieht ihr Leben, dass sie sich nie einschränken müssen, dass sie auch mal über die Stränge schlagen können, ohne ewig dafür büßen zu müssen. Und man beneidet sie! Soo sehr! Man wünscht sich genau das, einfach Leben ohne ständig darüber nachdenken zu müssen. Dinge im Voraus zu planen, ohne Angst es doch wieder absagen zu müssen. 

Es ist unglaublich anstrengend ständig mit dem Gedanken zu leben, von dem was man sich vorgenommen hat, doch kaum was zu schaffen. Eigentlich wollte ich mir gar nichts mehr vornehmen aber das macht sowas von einsam. Weil man sich ausschließt vom Rest der Welt. Natürlich haben die meisten Verständnis dafür aber ich hasse es trotzdem absagen zu müssen. Und ich hasse es auch, jede Einladung ablehnen zu müssen. Absagen zu müssen ist ein kleines Versagen. Jedesmal. Denn wer weiß, wie lange sich jemand vertrösten lässt, bevor er sich gar nicht mehr meldet. Bevor er oder sie einfach keine Lust mehr hat, dieses ständige Vertrösten zu dulden. Diese ständige Angst, wieder jemanden zu enttäuschen, weil man sich nicht gut fühlt. 

Ich will mal wieder eine Woche erleben, in der ich alles schaffe was ich mir vornehme, ohne vorher dauernd Angst zu haben, es nicht zu schaffen. Denn diese Angst verselbständigt sich. Sie bringt einen dazu sich schlecht zu fühlen, ohne dass bereits irgendetwas passiert wäre. Schon Tage vorher fange ich an zu planen, werte alle Daten aus, die ich bis dahin zur Verfügung habe. Alles wird wieder und wieder zerdacht. Wenn es dann soweit ist, hat man sich schon so hineingesteigert, dass man schon ganz kirre ist und es ganz logisch ist, dass es einem nicht gut geht.

Einfach mal machen können ohne es vorher ins Kleinste vorgedacht zu haben…. Das wär’s. Aber es ist wie eine Sucht und lässt sich fast nicht abstellen. Denn selbst wenn man nicht bewusst darüber nachdenkt, geht es im Unbewussten weiter.

Ruhe im Kopf, einfach nur Ruhe.

Manchmal frage ich mich, ob ich all diese Panik im Kopf nur da ist weil ich nicht genug habe, was mich erfüllt. Denn wenn ich eine Aufgabe habe, die mich fesselt, dann ist mein Kopf ruhig und dann läuft auch nichts im Untergrund ab. Dann gibt es einfach nur eins. Ich, in Symbiose mit meiner Tätigkeit. Aber wenn ich nicht ganz gefesselt bin, dann gibt es immer Zweierlei; meine Gedanken und das was ich gerade tue und beides ist losgelöst voneinander. Geht es dann nicht generell darum mehr eins zu sein? Sich nicht dauernd gespalten zu fühlen? Vielleicht bedingt dieses Gespaltensein ja auch einfach die Krankheit? Weil die Erfüllung fehlt und ohne erfüllt zu sein, fehlt dem Organismus etwas. Dem einen mehr dem anderen weniger. Und mir scheint es derweil extrem zu fehlen. Denn wenn ich erfüllt bin, dann habe ich kaum Missempfindungen. Bin ich es nicht und bin eher gelangweilt, beginnt dieses Gedankenkarussell und kreist und kreist, vielleicht auch nur um etwas zu haben, worum es kreisen kann. 

Ich manövriere mich schon oft selbst hinein. Weil mich Krankheiten aber generell auch wahnsinnig interessieren! Ich liebe es, darüber zu recherchieren, Zusammenhänge zu finden, Rätsel zu lösen. Und es muss um einen konkreten Fall gehen, damit mich die Recherche interessiert. Und da ich nicht so viele andere Fälle um mich herumhabe, nehme ich immer wieder meinen Fall, an dem ich weiter rätsele. Aber das macht es leider oft schlimmer als besser. Aber es ist fast schon ein Automatismus geworden. Es ist so selbstverständlich jedem Gedanken nachzugehen, dass ich erst viel zu spät merke, wann ich schon wieder viel zu tief drin bin.

Das Zauberwort heißt wieder mal „bewusstwerden“! Folge nicht jedem Impuls, sondern höre erst einmal in dich hinein. Muss das jetzt sein? Gibt es nicht noch etwas anderes was du tun kannst? Würde dir das nicht vielleicht auch besser helfen? Und wenn da ein fieser Gedanke ist, was kannst du tun, um ihm zu entkommen?

Ich denke diese vier Fragen werde ich mir für die nächste Zeit mal auf die Fahne schreiben. Vielleicht hilft es ja etwas.

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